Sag niemals nie – Sabine Fleck und Sonja Mülhopt forschen für die Umwelt
Welche Auswirkungen hat Feinstaub auf den Menschen? Und wie kann man seine Schadwirkung messen? Sonja Mülhopt geht seit 20 Jahren dieser Frage nach. Ihr Forschungsgebiet ist die Entwicklung der Gas-Flüssigkeits-Grenzschicht-Exposition von Bioassays gegenüber Aerosolen aus technischen Prozessen. „Feinstäube können Ruß aus Dieselmotoren, natürliche Stäube oder auch Zwischenprodukte der chemischen Industrie sein, sie sind allgegenwärtig. Sie passieren die oberen Atemwege und lagern sich in den Lungenbläschen ein“, erklärt Sonja Mülhopt. Dort können sie die Zellen schädigen. Um diese Effekte zu verstehen, bringen Forscher Lungenzellen und Feinstaub in einer realistischen Umgebung zusammen und stellen die Vorgänge im menschlichen Körper detailliert nach. So ist es Sonja Mülhopt mit ihren Kollegen am Institut für Technische Chemie (ITC) gelungen, ein Expositionssystem zu entwickeln, mit dem sich schnell und ohne Tierversuche Messdaten über die Schadwirkung von Feinstäuben verschiedenster Quellen sammeln lassen. Schon seit ihrer Diplomarbeit beschäftigt sich die Maschinenbauingenieurin mit dem Thema, heute leitet sie am KIT die Arbeitsgruppe dazu und arbeitet an ihrer Promotion.
Auch Dr.-Ing. Sabine Fleck ist etablierte Wissenschaftlerin am ITC. Sie leitet die Arbeitsgruppe Vergasung, zu ihrem Aufgabengebiet gehört die organisatorische und wissenschaftliche Betreuung der Technikumsanlage REGA am KIT Campus Nord. „Wir untersuchen die Prozesse bei der Umsetzung von biogenen und anthropogenen Pyrolyseprodukten zu Synthesegas, welches man anschließend weiter zu Brennstoffen oder Basischemikalien synthetisieren oder zur Stromerzeugung nutzen kann“. REGA steht für Research Entrained Flow Gasifier – mit der Versuchsanlage untersuchen die Forscher die Grundlagen der Flugstromvergasung für flüssige und Suspensionsbrennstoffe im Detail. Bei der Flugstromvergasung werden die Brennstoffe zusammen mit dem Vergasungsmedium (Sauerstoff, Dampf) am Kopf des Vergasers zugegeben und zu einem Synthesegas – H2 und CO – umgesetzt. REGA ist Teil des Energy Labs, mit dem die Wissenschaftler am KIT versuchen, ein Energiesystem frei von fossilen Energieträgern aufzubauen, um mögliche Lösungen hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft voranzubringen.
Sabine Fleck hat in Karlsruhe studiert, nach ihrer Promotion an der Technischen Universität Cottbus in der Mechanischen Verfahrenstechnik geht sie als Postdoc an die Technische Universität nach Kaiserslautern und arbeitet anschließend als Projektingenieurin in der Industrie. 2009 kommt sie nach Karlsruhe zurück, um die Arbeitsgruppe Vergasung zu leiten. Dass sie sich beruflich für den Umweltschutz einsetzen will, wusste sie bereits nach dem Abitur. Als sie sich damals informiert, fallen ihr die Vertiefungsfächer Wassertechnologie und Luftreinhaltung im Studiengang Chemieingenieurwesen an der damaligen Universität Karlsruhe (TH) ins Auge, sie werden der Beweggrund, warum sie sich für diesen Studiengang entscheidet. „Für mich war es schon immer wichtig, einen Sinn in meiner Arbeit zu sehen. Etwas Positives für die Umwelt tun und mit der Forschung dazu beitragen, das kann ich tatsächlich mit dem Studium der Verfahrenstechnik verwirklichen“, resümiert Sabine Fleck.
Auch Sonja Mülhopt studiert in Karlsruhe. Ihre Begeisterung für Technik erhält sie aus dem familiären Umfeld, einer Familie von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern, erzählt sie. Deshalb beginnt sie zunächst ein Studium des Chemieingenieurwesens an der Universität Karlsruhe. Doch sie scheitert an den Prüfungen, Lernerfolge bleiben aus. „Für mich war die Universität nicht die richtige Hochschulform. Ich bin dann an die Berufsakademie, heute die Duale Hochschule, gewechselt. Studiert habe ich an der DHBW Mannheim und mein Arbeitgeber war das Forschungszentrum Karlsruhe. Meinen Master of Science in Chemieingieurwesen an der Hochschule Mannheim habe ich erst viel später für die Promotionszulassung gemacht. Ich habe nie einen Moment daran gezweifelt, dass ich Ingenieurin werden will, musste nur den richtigen Weg finden“. Heute betreut die Maschinenbauingenieurin selbst Studenten der Dualen Hochschule und Absolventen des KIT, engagiert sich jedes Jahr dafür, Schülerinnen und Frauen die Berufsbilder in den Naturwissenschaften am KIT näher zu bringen. Ein aktuelles Forschungsprojekt an dem Sonja Mülhopt beteiligt ist, bezieht sich auf die Entsorgung von Carbonfaser-Produkten. „Wir informieren unter anderem die Berufsgenossenschaften in einem Workshop über unsere Erkenntnisse, ob das Inhalieren von geschliffenen oder gehäckselten Carbonfasern gesundheitsschädlich sein kann. Unsere Ergebnisse sind Teil eines Projekts das wir gemeinsam mit anderen Wissenschaftseinrichtungen und Industriepartnern vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert bekommen haben“, so Mülhopt. Viel Zeit im Labor bleibt ihr allerdings nicht mehr, bedauert sie. Hauptsächlich ist sie mit der Koordination oder Organisation ihrer Arbeitsgruppe beschäftigt.
Sabine Fleck ist ebenfalls nur noch selten im Laborkittel und Sicherheitskleidung in ihrer Versuchsanlage anzutreffen. „Als Gruppenleiterin bin ich dafür zuständig, Entscheidungen zu treffen und den Versuchsbetrieb an der Anlage zu organisieren. Welche Versuche brauchen wir, welche Ergebnisse wollen wir mit unserer Arbeit erzielen, machen wir weiter oder nicht – das sind die Fragen, mit denen ich mich beschäftige. Dazu kommt die Einteilung des Personals und natürlich die Betreuung von Doktoranden“.
Jungen Frauen, die einen Beruf in den Naturwissenschaften oder im Chemieingenieurwesen aufnehmen wollen, raten beide Wissenschaftlerinnen übereinstimmend: „Macht was euch Spaß macht! Wir sind in der Sache gut, die wir gerne tun. Außerdem gibt es viele Wege ans Ziel zu kommen, deshalb sag niemals nie“. Sabine Fleck und Sonja Mülhopt sind im CIW- Ingenieurinnen Netzwerk (CIW IN) engagiert. Auch anderen raten sie, sich zu vernetzen. „Wir müssen uns mehr Hilfe holen, miteinander reden und Mentoring-Programme aufbauen“, sagt Sonja Mülhopt. Sie persönlich dachte immer, eine Wissenschaftskarriere käme für sie nicht in Frage. „Wenn ich mehr Austausch gehabt hätte, wäre ich vielleicht früher dazu gekommen meinen Weg zu finden“. Der Wissenschaftsbetrieb sei noch immer kein wirklich familienfreundlicher Ort und Frauen fehlt oft die Rückendeckung, um bis in den Abend am Arbeitsplatz zu sein, erklären die beiden. Umso wichtiger sei der Austausch, wie man sich darin erfolgreich organisiert.